Zum zweiten Mal begann gestern die internationale Sommeruniversität „Audiovisuelle Kommunikation Erneuerbarer Energien, Energieeffizienz und Nachhaltigkeit“ des KMGNE. Der Titel ist vielversprechend aufgeladen und strotz nur so vor Interdisziplinarität und Kreativität – eine Einladung für Querdenker und Weltverbesserer, die mit Kamera, Mikro und dem Internet gegen den Klimawandel und für Nachhaltigkeit eintreten wollen. In den beiden kommenden Wochen soll den Teilnehmern Gestaltungskompetenz im Umgang mit Medien vermittelt werden, um die Potentiale der Formate für ihre Arbeit in Initiativen als auch Beruf und Privatleben zu nutzen.
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Bei der Vorstellung der Teilnehmer und ersten Diskussionen wurde bereits deutlich, dass diese aus den unterschiedlichsten Bereichen stammen und so, obwohl im Konsens für eine bessere Welt engagiert, trotzdem verschiedenster Meinungen sein können. Grundsätzlich scheint es wohl keine günstigeren Voraussetzungen für das Gelingen der Sommeruniversität zu geben. Von Filmemachern, Philosophen, Entwicklungsarbeitern, Autoren bis hin zu Personen aus dem Bereich erneuerbarer Energien sind verschiedenste Charaktere aber auch Altersgruppen vertreten. Die Liste der persönlichen Buchempfehlungen lässt erahnen, wer alles dabei ist und wovon er/sie beeinflusst wurde/n. Kant, Kerkeling, Fromm, Böll, Hesse, Schlink, Meadows sind nur ein kleiner Auszug der Namen, sagen aber doch einiges. Beeindruckend schien vor allem das Buch „Warum ist Landschaft schön?“, ein Werk über die Spaziergangswissenschaft.
In den nächsten 13 Tagen soll auf dieser Seite nun begleitend von den täglichen Geschehnissen, Vorträgen, Wissenszuwächsen und auch Diskussionen für alle Interessierten, Daheimgebliebenen, Nachahmer und natürlich auch als eine Erinnerung für die derzeitigen 18 Teilnehmer berichtet werden.
Dr. Joachim Borner, Leiter der Sommeruniversität, begrüsste pünktlich um 09.30 Uhr die Teilnehmer im Werkraum des Kolping Hotels in Salem, einem kleinen idyllischen Ort in Mecklenburg. Weitere Geleitworte gab den Anwesenden Herr Olaf Fiesel von der Staatskanzlei der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern und Herrn Dr. Thorsten Permien, Vertreter des Ministeriums für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Mecklenburg-Vorpommerns. Letzterer machte er auf die lange Tradition Nachhaltiger Entwicklung in seinem Bundesland aufmerksam. Zu einem Pionier der Nachhaltigkeit zählte er den im 19. Jahrhunderten in Vorpommern wirkenden Johann Heinrich von Thünen, eine Person die sich schon frühzeitig mit regionalen Wirtschaftskreisläufen beschäftigte und deren weiterer Untersuchungen lohnenswert erscheint. Eine ebenso interessante Notiz wäre die Waldaktie, eine CO2-Kompensationsmöglichkeit für Touristen in der Region für einen klimafreundlichen Urlaub. Ein nachträglich durchgeführtes Interview mit Herrn Dr. Permien, in dem er über den Stand und den Stellenwert nachhaltiger Entwicklung in der Politik Mecklenburg-Vorpommerns Auskunft gibt kann hier in Kürze nachgehört werden.
In einem anschliessenden Vortrag gab die Künstlerin Frau Birgit Wette zunächst theoretisch darüber Auskunft wie Kunst zur Thematisierung von Energiewandel genutzt werden kann. An Hand ihrer Energiebilder verdeutlichte sie, dass sich ungegenständliche Kunst ständig mit Energie auseinander setzt – Formen, aber vor allem Farben, können sehr eindringlich Energien visualisieren und möglicherweise sogar körperlich erfahrbar machen. In ihren Bildern experimentiert sie mit den Energien der Farben indem sie diese kontrastiert, aber auch nach harmonischen Klängen forscht. Dies erklärte sie sehr anschaulich an ihren Werken, die im Werkraum als auch in Teilen des Gebäudes ausgestellt waren und bis zum Ende der Sommeruniversität auf die Teilnehmer wirkten sollen. In einem von ihre geleiteten Workshop mit Pinsel und Acryl wurde den Teilnehmern am Nachmittag im Selbstversuch verdeutlicht, welche Kräfte und Emotionen in den Farben stecken. Im reflektierenden Abschlussgespräch zeigte sich, dass sich durch eine solche Übung eine Sensibilisierung im Umgang mit Bildern erreichen lässt. Es galt in Farbe hinein zu spüren, seine Aufmerksam dem Bild zu widmen, zu schauen welche Reaktion Farbe auslöst.
Noch vor dem Mittag wurde dann näher von Dr. Borner über das Konzept der Sommeruniversität Auskunft gegeben. Er reflektierte über das Wesen von Kommunikation und wie es plötzlich möglich wurde, dass Massenmedien wie die Bild-Zeitung vom Klimawandel vor einigen Jahren berichteten. Vor allem das Wort Übersetzer blieb hängen. Kommunikation in der heutigen, ach so ausdifferenzierten Zeit der Wissenschaft bedeutet Übersetzungsleistung – gelungen ist dies AL Gore aber auch Nicholas Stern. Jeder Disziplin spricht heute eine andere Sprache und keine versteht die andere. Der Bürger kann mit den Reden des Wissenschaftlers nichts anfangen, der immer wieder auf die Brisanz der Lage durch Statistiken und Tabellen hinweist. Es bedarf einer gekonnten Transmission, die sich auf die Sprache des Empfängers einstellt und ihm in seinem Wortschatz und in anschaulichen Symbolen erklärt worum es geht. So weit es aber um zukünftige Szenarien zum Klimawandel oder auch einer nachhaltigen Kultur geht, so gibt es weder Symbole und noch Bilder dieser zukünftiger Lebensweisen. Hierdurch werden diese schwer vorstellbar und können auch keine Handlungsmotivation auslösen, da sie uns ungerührt lassen. Wir sind gefangen in den Bildern und Denkstrukturen der Massenmedien, haben verlernt uns zukünftige Szenarien zu visualisieren und den konkrete Auswirkungen unserer Handlungen (vor)-zu-stellen. Wir leben in einer Kultur des Jetzt und des aneinander Vorbeisprechens und -hörens. Was wir brauchen ist eine Ästhetik der Klimakultur. Zu oft wird von Veränderungen geredet, dem technisch Machbaren, allerdings immer unter der Prämisse des Festhaltens an alten Gewohnheiten und Lebensstilen. Die Anpassung an den Klimawandel und auch ein nachhaltiger Lebensstil bedarf jedoch weiterer Einschnitte in unsere Alltagskultur, deren Bilder gilt es zu kommunizieren. Denn wie Luhmann schon sagte: „Was nicht kommuniziert wird, existiert nicht.“ Es geht also darum, Bilder der Zukunft zu entwerfen und zu verbreiten, zum Erschrecken, Träumen, Motivieren und vor allem Handeln. Wir leben in einem neuen Medienzeitalter, jeder der eine Kamera und gewisse Grundkenntnisse besitzt kann den Massenmedien heute Konkurrenz machen – you tube macht’s möglich.
Zum Abschluss wurde ein Vortrag von Dr. M. Stock, Mitarbeiter des Potsdamer Institutes für Klimafolgenforschung, vorgespielt, den er auf einem Kongress für Bioenergiedörfer 2010 gehalten hatte. Im Anschluss daran entbrannte ein rege Diskussion über die Verantwortung von Wissenschaft, die angesichts des Klimawandels ihre oft zu technozentristische Weltsicht pflegt. Welche Implikationen muss ein wissenschaftlicher Vortrag haben? Ist Desert-Tec zu eurozentristisch gedacht? Befinden wir uns in eine Zeitalter des Neo-Kolonialismus?
Buchempfehlung des Tages: Meadows, Dennis & Donella: Die Grenzen des Wachstums – das 30-Jahre-Update: Signal zum Kurswechsel.
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